Einweihung eines literarischen Waldbeitrags auf dem Lehrpfad mit Bürgermeister Stockhoff und vielen Gästen
So nach und nach kommen die Leute. Noch ist es nicht 11:00 Uhr. Eine feierliche Übergabe eines von Cornelia Funke verfassten Textbeitrags auf dem städtischen Waldlehrpfad im Barloer Busch findet heute Vormittag am Mittwoch, 18. Juni, statt. Schon an der Marler Straße ist etwas Besonderes zu sehen, denn das hölzerne breite Waldlehrpfad -Schild ist mit bunten Ballons geschmückt. Der Himmel zeigt sich blau mit ein paar Wolken, schon warm die Luft, wie vorhergesagt.
Der Förster und Waldpädagoge Bernhard von Blanckenburg hatte eingeladen im Namen der Stadt. Viele Helfer waren am Werk. Cornelia Funke steht dabei im Mittelpunkt. Die vielfach ausgezeichnete Autorin hat mit ihren Büchern zahlreiche Kinder und Erwachsene für die Schönheit und Bedeutung unserer Wälder begeistert.
Der Förster hatte schon vor längerer Zeit daran gedacht, sie, die leidenschaftliche Naturliebhaberin, irgendwie zu kontaktieren und zu fragen, sie könne vielleicht etwas für den Waldlehrpfad schreiben. Mit der Hilfe von Altbürgermeister Lambert Lütkenhorst, der die Schriftstellerin auf einer Buchmesse traf und dazu ansprach und mit einem persönlichen Brief des Försters nach Volterra in der Toskana, der Brief, der tatsächlich ankam, entstand im September 2024 ein Schriftverkehr per Mail. Der Förster stellte den Wald und den Waldlehrpfad mit seinen Aufgaben gründlich vor, denn Cornelia Funke wollte genaues wissen.
Und so setzte sich noch vor Weihnachten an den Schreibtisch, um die städtische Umweltbildungsarbeit mit ihren Gedanken zu unterstützen. Deswegen wird es heute festlich. Alle Vorbereitungen sind dazu beendet und soeben steigen 26 Kinder der Klasse 1 c des katholischen Teilstandortes in Altendorf- Ulfkotte der Pestalozzischule aus dem Bus. Sie haben sich unter dem Lehrer Marcel Winkler mit dem Thema Wald – Lebensraum, Lernort und Fantasiequelle, sowie mit dem Textbeitrag von Cornelia Funke beschäftigt und für diesen Tag etwas vorbereitet. Bürgermeister Tobias Stockhoff übernimmt die Schirmherrschaft. Er steht jetzt am Waldrand und begrüßt gerade Georg Tenger, den Leiter der Biologischen Station des Kreises Recklinghausen e.V.. Die Stimmung ist gut, man unterhält sich allgemein. Ein kleines Poster am Baum, es ist gut zu lesen, „Heute Cornelia Funke – Projekttag 11:00 Uhr“ zeigt – man scheint hier richtig zu sein.
Frank Vennemann stößt dazu. Der Tischlermeister hat fachmännisch gekonnt das 1,20 m lange und 50 kg schwere Eichenstück, wir sagen auch Stele, in seiner Werkstatt bearbeitet und verschönt. Nun kommt Peggy Schmidt-Piorun in die Runde. Sie ist seitens der Stadt zuständig für Wald und Forst und hatte vorher noch an der Schutzhütte Stolperstellen am Zugang beseitigen lassen, dass diese jetzt besser begehbar ist. Ein Rollstuhl kann nun in die Hütte reinfahren.
Als Bernhard von Blanckenburg die Anwesenden nacheinander vorstellt, dabei immer wieder den Wald und Cornelia Funke ins Spiel bringt, tritt Altbürgermeister Lütkenhorst, der Vorsitzende vom Verein „Cornelia Funke -Baumhaus“, hervor und macht noch auf eine weitere Dorstener Schriftstellerin aufmerksam, die anwesend ist, und deutet auf die Pädagogin und Autorin Dr. Edelgard Moers, die gleich noch eine spezielle Rolle übernehmen wird. Man freut sich und es gibt Applaus.
Von Blanckenburg scheint mit der Vorstellung aller Gäste fertig zu sein, bedankt sich fürs Kommen und übergibt den Stab an Bürgermeister Tobias Stockhoff, worauf dieser sich zum Barloer Busch dreht und sagt: „Am besten wir gehen jetzt in den Wald“. Er führt die Truppe an. Links und rechts ist der Weg mit Luftballons geschmückt, es geht weiter vorbei am Raesfeld-Gedenkstein, ein bisschen dunkel ist es da von den Eiben, nun kommt die große Schutzhütte , man sieht noch die tolle neue Bozen Bank, und ein paar Meter entfernt wird der geschmückte Festplatz erreicht.
Wer genau hinsieht, erkennt an den Bäumen bunte Schleifen in den italienischen Nationalfarben grün, weiß, rot, gewiss eine Anspielung auf Funkes aktuellen Wohnsitz in der Toskana. Aber das ist nicht alles. Ein 30 x 40 cm sehr schönes Farb-Portrait von der Schriftstellerin ist aufgestellt. Das Foto hatte Lambert Lütkenhorst von ihr vor dem Baumhaus gemacht. Sie lächelt uns an und man fühlt, sie ist irgendwie anwesend. Daneben erkennt man, heute die Hauptsache, eine große eckige hohe, mit einem eleganten Tuch umhüllte Sache. Darum scheint es zu gehen, denn davor bildet sich eine große Runde.
Einige wollen wir nennen. Der stets wichtige Verkehrsverein mit den Vorständen Harald Stucken, Peter Keller und Godehard Schmitz und mit Christa Herberhold. Wichtig, weil der Verkehrsverein wieder einmal die Kosten übernimmt. Das ist nicht selbstverständlich. Daneben stehen Marianne Lütkenhorst, die Frau des Altbürgermeisters, und Ute Blume, Projektleiterin bei der Dorstener Arbeit. Diese bewährte und fleißige Einrichtung hat wieder einmal alles gegeben – die Stele aus Marl abgeholt und zur Tischlerei Vennemann transportiert, die ganzen Waldlehrpfadschilder haben sie geputzt und sich auch nach den Spinnweben in der Hütte gestreckt, kurz, sie haben überall mitgeholfen bis zum Schluss und werden auch beim Abbau zur Stelle sein. Von Blanckenburg, der alle Arbeiten koordiniert, ist besonders angetan von dieser Bereitschaft. Die für ihn unverzichtbaren Quartiershausmeister der Dorstener Arbeit, angeleitet von Florian Hemmer, unterstützt von Andreas Schwab, Bohdan Martyniuk und Stefan Liebelt, müssen hier unbedingt genannt werden.
Es wird ein Gruppenfoto geben. Jürgen Moers hat als Fotograf auf die Anfrage spontan zugesagt und ist schon bei der Arbeit. Später wird man an den Fotos erkennen, wie es sich gelohnt hat, ihn anzusprechen. Dabei ist auch die Leiterin der Stadtagentur, Sabine Fischer- Strebinger, die den Waldlehrpfad im Bereich der städtischen Touristik bekannter machen wird. Mit Unterstützung der Designerin Astrid Hochstrat hat sie im städtischen Internet-Auftritt unter Wandern den Bildungspfad schon aufgeführt. Viele Namen und vieles an getaner Arbeit und Leistung kommen heute zusammen.
Der Bürgermeister, der etwas erhöht auf der kleinen Wegeböschung steht, sein weißes Hemd leuchtet im Wald, er winkt alle Gäste heran. Nun schaut Tobias Stockhoff hoch zu den Buchen, erklärt diesen gerade gewonnenen Raumeindruck, es sei hier ,wie in einer Kathedrale, ein hoher Kirchenraum tut sich auf und dann fragt er die Kinder: Wie hoch sind denn wohl die Bäume? Was glaubt ihr? Aus der Klasse die erste Antwort – 200 m. Verbreitetes Schmunzeln. Nein, das ist wohl zu viel, so hoch sind die Bäume bestimmt nicht, sagt der Bürgermeister und guckt zum Förster. „Hier sind sie 30 m hoch. Im Schnitt sind können Bäume in Deutschland bis 45 m hoch werden, einige wenige noch höher“, erfährt man. Tobias Stockhoff, es ist dem Physiker ein Leichtes, erfragt die positiven Wirkungen der Bäume, den Sauerstoff und die Bindung von CO2, den kühlenden Schatten und die Schönheit und dass auch das Holz der Bäume genutzt wird. Die Kinder wissen schon viel, sie sind gut vorbereitet worden. Der Bürgermeister zeigt auf das Bild von Cornelia Funke, die vor dem Baumhaus abgebildet ist, spricht den Baum an, der mitten darinsteht, dreht sich nach rechts und fragt seinen Vorgänger, was das „Baumhaus“ eigentlich so macht. Lambert Lütkenhorst antwortet gerne. “Ein Ort des Lesens und des Vorlesens und mehr.“ Präzise führt er alles auf.
Nun passt es genau, Dr. Edelgard Moers stellt Cornelia Funke vor, ihre fantasievollen Geschichten, wie sie mit ihrem faszinierenden Sprachgefühl ihre Leserinnen und Leser in zauberhafte Welten lockt. Von Blanckenburg hat passend dazu einen grünen schönen Papier Drachen in ein Bäumchen gehängt, der jetzt schon fast gefährlich herüber lugt. Frau Dr. Moers sagt, dass Cornelia Funkes Bücher in fast allen Sprachen auf dieser Welt gelesen werden und dass eine ganze Reihe ihrer Werke verfilmt wurden. Ein Höhepunkt der Veranstaltung kommt nun mit ihrer eindrucksvollen Rezitation des Textes von Cornelia Funke, der so beginnt: „Der Wald ist voller Stimmen.“ Edelgard Moers ist darin geübt. Der Vorsitz im Heimatverein und auch die lange Zeit im Arbeitskreis Literatur forderten sie heraus. Sie spricht bedacht und gar nicht laut und es wird schön leise um sie herum. Aber jetzt auch zu Cornelia Funke: Mit diesen einmaligen Worten ruft die berühmte Geschichtenerzählern damit auf, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Ihr persönlicher Beitrag, der gleich auf einer Stele des Waldlehrpfades zu sehen ist, würdigt in eindrucksvollen Worten das komplexe Miteinander von Tier, Pflanze und Mensch. In ihren Worten klingt nicht nur die Faszination für das grüne Reich an, sondern auch die Überzeugung: „Zusammen, das ist wichtig“. Der Bürgermeister angeleitet von Florian Hemmer und von zwei Kindern unterstützt, nimmt würdevoll die Verhüllung in die Hände. Sie heben nun das schöne Tuch ab und es zeigt sich ein leuchtendes Holzstück, eine Stele, eine kantige Säule aus Eiche mit dem obendrauf befestigten Cornelia Funke- Schild.
Dieses Schild ist unter den Händen von Astrid Hochstrat gewachsen. Sie ist Grafikdesignerin und hat dieses Schild wirklich kunstvoll und aufwendig gestaltet. Sie wird es gleich im Wald sehen. Von Birgitt Hülsken, der Leiterin der Stadtbücherei, die gerade in ihrer Nähe steht, bekam sie Bücher von Cornelia Funke. Astrid Hochstrat wertete diese aus, fand im „Drachenreiter“ brauchbares, suchte sich geeignete zum Wald passende Illustrationen der Autorin aus und formte damit einen Rahmen, ebenso Bäume, Blätter, ein Flughörnchen, einen Waldhamster, alles sehr schön anzusehen. Rundherum gestaltete sie einen schmalen grünen Rand, setzte die Lebensdaten von Cornelia Funke ins rechte Feld und ebenso das Baumhaus– Logo, eine Idee des Bürgermeisters. Sie kann hochzufrieden sein mit ihrer Arbeit. Das Schild ist gelungen, sie wählte ein größeres Format, dass man den Text gut lesen kann.
Wir gehen nun näher heran, um uns das Cornelia Funke-Schild anzusehen, zu bestaunen oder zu fotografieren. Es ist festlich mit einer weißen Schleife geschmückt. Mittlerweile rücken die Kinder heran, sie sind jetzt mit ihrem Programm dran. Ole stellt die Klasse 1c vor und erzählt, wie sie alle die Worte von Cornelia Funke bearbeitet haben. Der Lehrer Marcel Winkler hatte den Text schon rechtzeitig vom Förster bekommen, gelesen und in vier Strophen eingeteilt. Acht Kinder, stehen jetzt vorne, halten ihre Blätter fest, die anderen der Klasse haben sich auf den Boden gesetzt. Sie sind zwischen sieben und acht Jahre alt und lesen abwechselnd ihre Zeilen vor. Na, da wollen wir mal zuhören: Fabian: „Die Welt ist vielfältig. Wir sind nur ein kleiner Teil“. Mara meint: „Es gibt so viel Luft durch die Bäume“ und dann: „Bäume rauschen, Füchse jaulen, der Boden krächt, Äste knacken, Hasen hoppeln – ich verstehe den Wald“ , das kommt von Ole, und Melina spricht: „Ein Wald ist voller Stimmen, wenn wir genau zuhören, könnte man Tiere hören“, Leo: „Es ist ganz wichtig, dass der Wald sauber bleibt“. Letizia sagt, „Viele Tiere sind nachts oder abends zu sehen , Eulen, Igel, Füchse oder auch seltene Tiere, wie Schlangen.“ Von Tilda hören wir: „Die Bäume sind wichtig. Ohne Bäume könnten wir nicht hier sein“. Und was liest Elias vor? „Die Zeit, die wir miteinander verbringen ist kostbar. Wir müssen den Wald beschützen, aber der Klimawandel ist nicht so einfach auszutricksen.“
Es gibt starken Applaus , das war einmalig und zeigt, wie Kinder, richtig angeleitet, unsere Welt so ergebnisstark sehen und beschreiben können. Die begleitenden Mütter, der Klassenlehrer, sie strahlen. Welch ein Erfolg! Nun ist es nicht weit bis zur Hütte, denn es soll gemütlich werden. Die „Berliner“ aus Hervest sind dabei, sie waren vorbestellt, den Kaffee haben der Förster und der Lehrer mitgebracht. Pause. Auf der neuen “ Bozen -Bank“ sitzen schon 5 Kinder, darüber schwebt der grüne Drache mit feuerroter Zunge und Glutaugen. Bunte Bänder überall, die Hütte mit Girlanden verziert, das schöne Wetter und jetzt noch Kaffee. Nach ein paar Bissen schwärmen alle Kinder aus in den Wald. Schön, sie so fröhlich zusammen zu sehen. Frau Dr. Moers schreibt später: „Das war heute wirklich eine sehr schöne harmonische Veranstaltung. Die Kinder waren allerliebst und haben ihre Beiträge ernsthaft und geduldig vorgetragen“.
Cornelia Funke hätte ihre Freude gehabt. Ihr literarischer Beitrag ist nicht nur ein Geschenk an die Stadt, sondern auch wertvoll für die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Dorsten und vergessen wir die Waldbesucher nicht, ebenso wertvoll für die Naherholung in der Feldmark. Der Cornelia Funke-Beitrag ist ein weiterer Baustein für das im Barloer Busch zur Verfügung stehende Waldwissen und auch ein kultureller Baustein für unsere Stadt. Den Aspekt der Kultur hatte Bürgermeister Stockhoff noch betont. Das „Zusammen sein“ – zwischen den Bäumen, wie Cornelia Funke schrieb, das klappte heute ganz gut. Und auch der Drache lächelt mittlerweile. Ein Tag der Wertschätzung, der Natur – und der Geschichten, die bleiben.
Copyright: Bernhard von Blanckenburg, Dorsten, 22.6.2025